Disclaimer: Diese Geschichte ist eine fanfiction-Story. Die verwendeten Charaktere gehören MGM/UA und wurden von mir nur ausgeliehen. Der einzige Profit, den ich mit der Geschichte zu erzielen hoffe, ist die Unterhaltung des Lesers.

 

Anmerkungen: Die Geschichte spielt einige Zeit nachdem Nick den Brief von seinem Vater erhalten und gelesen hat.                 

 

 

In liebevoller Erinnerung an meinen Vater

Ich hoffe, dass du auch auf mich stolz sein kannst

 

 

Missed chances

by Belladonna

 

 

Ein junger Mann betrat den Friedhof durch das große schmiedeeiserne Tor. Er trug dunkle Kleidung, so wie jeder, der zum Friedhof ging. Er kannte sein Ziel genau, denn er war diesen Weg schon viele Male zuvor gegangen, genau an diesem Tag. Doch in diesem Jahr, an diesem Tag war alles anders. Denn an diesem Tag fiel es ihm umso schwerer, diesen Weg zu gehen, als es die Jahre zuvor gewesen war. Denn in diesem Jahr kannte er die Wahrheit, eine Wahrheit, die er zuvor nicht kannte und niemals für möglich gehalten hatte; eine Wahrheit, von der er niemals gedacht hatte, auf diese Art zu sein.

 

Es regnete, doch das machte ihm nichts aus, er hatte nicht einmal einen Regenschirm dabei. Es regnete, so als ob selbst der Himmel weinen würde, als trauerte er um die vielen Toten unter ihm und auch der Mann, der an diesem besonderen Tag über den Friedhof ging, zu einem ganz bestimmten Ziel konnte die tiefe unendliche Trauer nicht aus seinen Augen verbannen, die in ihnen steckte.

 

Er ging die langen Reihen der Grabsteine entlang, unzählige Farben von Stein und Formen, Kreuze, Engel oder schlichte Steine, doch der Mann achtete nicht darauf, sah sie nicht einmal an denn seine Gedanken waren woanders. Es waren nicht die Grabsteine der anderen, denen sie gewidmet waren, sondern sein Ziel war der eine Grabstein am Ende der Reihe, etwas abseits von den anderen. Es war auch nur ein schlichter Stein, ohne Kreuz oder Engel, nur ein graubrauner Marmorstein mit Inschrift. Es war dieser schlichte Stein, vor dem der Mann stehen blieb. Er fühlte, wie sein Herz schneller schlug und in seinem Inneren sich etwas zusammenkrampfte.

 

In einer Hand hielt er einen Briefumschlag, in der anderen hatte er eine einzige rote Rose. Der Mann stand einfach nur so da, er schwieg und blickte stumm auf den Grabstein, denn er wusste auch nicht, was er sonst sagen sollte.

 

Der Regen fiel weiterhin vom Himmel, so als zeige er noch immer seine Trauer über die vielen Toten und vielleicht sogar auch für diesen einen und den Mann, der an diesem Tag hier stand und um ihn trauerte.

 

Es war ein besonderer Tag. In jedem Jahr an diesem Tag kam er hierher, denn es war an diesem Tag vor vielen Jahren, dass sein Vater starb.

 

Der Mann wusste nicht, wie lange er einfach nur so dagestanden hatte, im Regen und auf das Grab geblickt hatte, das er in jedem Jahr an diesem Tag besuchte. Er war jedes Jahr hergekommen, doch niemals, in keinem der vergangenen Jahren hatte er dabei eine solche Trauer verspürt. Niemals hatte es ihm in den vergangenen Jahren so leid getan, hier zu stehen und auf dieses Grab zu blicken. Niemals zuvor hatte es so wehgetan.

 

Auf dem Grabstein war der Name des Verstorbenen eingemeißelt. Die Inschrift des Namens war Jonathan Boyle.

 

~/~

 

Ich weiß nicht, warum ich all die Jahre hergekommen bin, all die Jahre zuvor an diesem Tag und ich weiß nicht, warum es mir dann heute so schwer fällt. Ich weiß nicht, warum es mir heute um so vieles schwerer gefallen ist, als die ganzen Jahre zuvor. Doch ich kenne den wahren Grund dafür, denn ich halte ihn hier in meinen Händen. Es ist dein Brief, dein letzter Brief an mich, den ich hier in meinen Händen halte und den ich erst vor kurzem den Mut gefunden habe zu öffnen und zu lesen.

 

Die Wahrheit ist, ich habe mich gefürchtet, ihn zu öffnen und ihn zu lesen. Ich habe mich gefürchtet, vor dem, was darin stehen könnte und ich eigentlich auch lieber nicht lesen würde. Ich habe mein ganzes Leben lang gedacht, ich würde dich kennen, gedacht, dass ich genau wüsste, wer du bist und was für eine Art von Mann du warst, nur um feststellen zu müssen, mich geirrt zu haben.

 

Ich hatte mich in dir geirrt, mehr noch, mein ganzes Leben lang habe ich dich nur gehasst und verachtet, dafür was du uns angetan hast, für das, was du mir angetan hast. Ich habe dich gehasst, für das was wie ich glaubte, dein Job und der Alkohol aus dir gemacht hatten und ich konnte dir niemals verzeihen, jedenfalls nicht zuvor. Ich hielt dich für einen schlechten Menschen, mehr noch, ein Monster, das seine Familie verprügelt, wenn es wieder mal zuviel getrunken hatte; ein Monster das seinen Sohn verprügelt hatte wenn es betrunken war.

 

Was hätte ich nicht dafür gegeben, dich einmal sagen zu hören, dass du stolz auf mich wärst, dass du mich liebtest für das was ich war und geworden bin. Doch du hast es niemals gesagt, diese einfachen Worte verließen niemals deine Lippen und auch dafür habe ich dich gehasst, denn diese Zurückweisungen waren viel schmerzhafter als jeder deiner Schläge. Dabei wollte ich doch nur, dass du auf mich stolz warst und ich wollte dass du es sagst, wenigstens einmal. Ich habe stets gedacht, du hättest mich nie geliebt und mich noch weniger gewollt. Ich wollte dich niemals enttäuschen, doch du hast mir stets das Gefühl gegeben, es getan zu haben.

 

Aber nun musste ich feststellen, dass ich mich getäuscht hatte, dass ich mich in dir getäuscht habe und das tut mir so entsetzlich leid. Es tut mir so furchtbar leid, dass wir niemals die Chance gehabt haben, diesen Irrtum aus dem Weg zu räumen, dass wir niemals mehr die Möglichkeit gehabt hatten, uns zu unterhalten, wenigstens für ein letztes Mal so wie du es wolltest. Ich weiß das erst jetzt, da ich deinen Brief gelesen habe. Es tut mir so unendlich leid, dass wir niemals wieder diese Chance gehabt hatten, miteinander zu reden, wenigstens für ein letztes Mal. Ich hätte mir diese eine Gelegenheit so sehr gewünscht und ich würde alles dafür geben, dir sagen zu können, wie ich fühlte und wie meine Gefühle nun sind.

 

Ich habe deinen Brief  gelesen und ich habe verstanden.

 

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dich wirklich zu kennen und dich verstanden zu haben. Ich verstand, warum du einige der Dinge getan hast, die du tatst aber ich würde so sehr den Rest auch noch verstehen können, mit dir darüber reden, doch dafür ist es leider zu spät. Erst jetzt habe ich den wahren Menschen gesehen, der du gewesen bist.

 

Ich bedauere so sehr, dass wir die Möglichkeit zu einem Neuanfang niemals hatten oder haben werden, ich hätte es mir so sehr gewünscht; und ich weiß aus deinem Brief, dass es auch dein Wunsch gewesen war.

 

Ich weiß nun, wie sehr du mich geliebt hast und wie stolz du auf mich gewesen bist und ich hoffe inständig, dass du es auch noch immer sein kannst, von wo aus auch immer du jetzt auf mich hinunterblickst. Auch wenn du es mir nie gesagt hast, denn dazu hatten wir niemals die Möglichkeit mehr, so weiß ich es jetzt und ich möchte, dass du weißt, dass auch ich stolz auf dich bin, dass ich es immer gewesen war und ich dich liebe. Ich vermisse dich sehr, Dad und ich wünschte mir nur, dass es uns vergönnt gewesen war, unsere Differenzen bereinigen zu können.

 

Ich wollte immer so werden wie du, sein wie du es gewesen warst als ich noch jünger war, du warst immer mein Vorbild gewesen, der Mann, der ich einmal sein wollte, wenn ich erwachsen werden würde, egal, was du getan hast und ich hatte so sehr gehofft, dich sagen zu hören, wenigstens einmal, dass du mich liebtest und dass du mit dem zufrieden gewesen warst, was ich tat und was ich war; dass du auf mich stolz warst.

 

Doch das warst du schon immer gewesen und du hast mich geliebt. Ich habe es nur jetzt erst verstanden. Und ich würde mir nichts sehnlicher wünschen als eine Möglichkeit für uns, eine zweite Chance für uns,  die wir niemals hatten. Du fehlst mir wirklich sehr, Dad.

 

~/~

 

Nick Boyle legte die Rose auf das Grab nieder und stand auf, über seine Wangen liefen Tränen der Trauer, des Verlustes und auch der Liebe, der Liebe für den Mann, an dessen Grab er stand. Er hatte nicht bemerkt, dass er die letzten Worte laut ausgesprochen hatte, doch niemand hatte sie gehört. Außer ihm war niemand auf dem Friedhof.

 

Der Himmel weinte noch immer und der Regen vermischte sich mit den salzigen Tränen auf seinen Wangen. Der Brief in seiner Hand war zerknittert, unbewusst hatte er die Hand zur Faust geballt und den Brief fester umschlossen, als beabsichtigt. In seinen Augen lag noch immer der Schmerz des Verlustes, der Trauer um die vielen verpassten Gelegenheiten in seinem Leben, von denen er besonders diese eine am meisten bedauerte, die Gelegenheit, mit seinem Vater ein letztes Mal zu reden und alles zu klären. Doch dafür hatte er niemals die Möglichkeit bekommen und er würde es auch nicht. Nick blickte ein letztes Mal auf das Grab, dann drehte er sich um und verließ den Friedhof.

 

~/~

 

Er hatte sich geirrt, denn er war nicht allein gewesen auf dem Friedhof. Außer ihm befand sich noch eine weitere Person auf dem Friedhof, die ihn beobachtet hatte. Es war ein älterer Mann, und er stand einfach ein Stück weit weg, doch als der jüngere Mann vor dem Grab gestanden hatte, da hatte er ihn nicht gesehen. Doch nun stand der Mann genau an der Stelle, an der Nick zuvor gestanden hatte. Der Regen nässte ihn nicht und er stand ebenfalls einfach nur da und es schien als beachte er den Regen nicht, der vom Himmel fiel. Als der Regen auf den Mann fiel, der nun am Grab stand, da wurde deutlich, dass der Mann nicht stofflich war, nicht greifbar. Der ältere Mann beobachtete Nick, wie er den Friedhof verließ, er blickte ihm nach und in seinen Augen war die gleiche Trauer zu erkennen, die auch in Nick’s zu erkennen gewesen waren. Auch dieser Mann bedauerte so vieles in seinem Leben, vor allem dies. Er bedauerte es ebenfalls zutiefst, keine Gelegenheit mehr gehabt zu haben, seine Gefühle ausdrücken zu können, zu sagen, was er empfand und das schmerzte ihn tief, tiefer als man es sich vorstellen konnte. Er bedauerte es so sehr, die Möglichkeit für ein letztes Gespräch nicht mehr gehabt zu haben, ein letztes Gespräch, das er so sehr gewünscht hatte zu haben, bevor er starb.

 

„Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn“, sagte er leise, seine Stimme voller Schmerz. „Ich bin es schon immer gewesen, ich war nur zu feige, um es auszusprechen. Ich bedauere so viele Dinge in meinem Leben, aber am meisten, dich geschlagen zu haben. Ich wollte dir niemals wehtun und es tut mir so sehr leid. Ich habe dich immer geliebt, aber ich habe es niemals gesagt, ich konnte es nicht. Ich weiß nicht einmal genau warum und das bedauere ich ebenfalls. Ich bin sehr stolz auf das, was du geworden bist, auf den Mann, der du geworden bist, mein Sohn. Du hast mich niemals enttäuscht, du könntest es nicht, denn du bist mein Sohn und ich liebe dich.“

 

~fin~

 

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